Ich bin normalerweise herzlich unpolitisch. Zumindest gebe ich mich so. Dabei bin ich vermutlich der Wunsch-Bürger einer jeden Bundesregierung. Brav gehe ich alle vier Jahre zur Wahl, schaue regelmäßig die Nachrichten, bin politisch interessiert, aber behalte diese politische Meinung in der Regel für mich.

Aber irgendwann ist einmal Schluss mit Zurückhaltung. Das Fass meiner schwappenden Polit-Emotionen war schon häufig gefährlich voll und am schwanken, doch Herr Pofalla und der amtierende Bahnvorstand haben es heute zum Überlaufen gebracht. Herzlichen Glückwunsch!

Ich bin nicht nur ein introvertiert politischer Mensch, sondern auch ein sehr guter Bahn-Kunde. Mit meiner Bahncard 100 und diversen Zusatzbuchungen lasse ich selbst knapp 5.000 Euro im Jahr bei der Bahn, weitere 5.000 meine Frau. Die große Mobilität, die in diesem Jahr von Verspätungen wie noch nie begleitet wurde, kostet uns einen kompletten Kleinwagen im Jahr. Zugegeben, ich nutze die Bahn auch viel. Ich möchte nur betonen, dass ich mich nicht über einen Konzern aufrege, mit dem ich nichts zu tun habe. Im Gegenteil. Fast aus den Schuhen gekippt bin ich beim Lesen der Meldung, dass Herr „Der Skandal ist beendet“-Pofalla für 1.3 bis 1.8 Millionen Euro Gehalt im Jahr zur Deutschen Bahn wechseln soll. Und sei diese Meldung noch nicht genug, wird noch berichtet, der Posten sei „für ihn geschaffen“ worden.

Das könnte mich vollkommen kalt lassen, wenn es sich bei der DB um einen privaten Konzern handeln würde. Dann würde ich mir überlegen, ob ich meine Geschäftsbeziehung aufrecht erhalte, oder ob ich den Mobilitätsanbieter wechsle. Zwar ist die Bahn rein rechtlich unabhängig, faktisch aber nicht. Denn die DB ist immer noch zu 100 Prozent im Besitz des Staates. Solange das der Fall ist und auch nur ein Euro Subvention aus der Staatskasse in die Bahn oder das Bahnnetz fließt, empfinde ich die Deutsche Bahn weiterhin als Staatskonzern.

Und genauso lange frage ich mich, ob es für solche Stellenvergaben keine Ausschreibungen gibt. Herr Ronald Pofalla ist doch nicht so qualifiziert, dass es keinen besser qualifizierten Bewerber gegeben hätte. Oder besteht die Qualifizierung lediglich in politischen Verbindungen? Immerhin ist ein „Vorstandsposten für Regierungskontakte“ für meinen Verstand gleichzusetzen mit einem Schuldeingeständis: Der Politiker Pofalla zieht persönliche Vorteile aus dem Amt. Anders kann ich ein Jahresgehalt von mindestens 1.3 Millionen Euro ohne herausragende Spezial-Qualifikation nicht interpretieren.

Denn damit endet die Überlegung ja nicht. Das Millionengehalt soll ja einen Gegennutzen haben. Unterstellt man die politischen Verbindungen als Motor dieser unverschämten Jahres-Gage, so muss man auch den Pofallaschen Kollegen unterstellen, sich von ihrem Ex-Kollegen bequatschen zu lassen. Denn politische Entscheidungen werden ja im Regelfall nicht von einer Person herbeigeführt. Mindestens 3.500 Euro am Tag(!) ist es also wert, ein politisches Einfalls-Tor in Regierungskreise zu haben.

Brüssel, wo bist du, wenn man dich braucht? Gibt es nicht die Möglichkeit, hier der Bahn-anenrepublik mächtig auf die Finger zu klopfen? Immerhin könnte man unterstellen, dass auf der inoffiziellen Stellenbeschreibung „Politische Einflussnahme durch Tot-Quatschen von Kollegen“ steht. Kann man einen Konzern, der sich im Staatsbesitz befindet, nicht zwingen, sich einen geeigneten Bewerber in einem transparenten Verfahren zu suchen? Und was ist mit der Frauenquote in Vorständen? Oder der Erfüllung einer Behindertenquote?

Die Internetseite von „Heute“ führt eine schöne Liste ehemaliger Wechsel von Politikern in Konzerne auf. Doch dass die Job-Vergabe-Praxis in der Vergangenheit ähnlich war, macht es für Bahn-Pofalla nicht besser.

Fast schon Satire ist die Erklärung des Aufsichtsratsmitglied Klaus-Dieter Hommel, die Debatte um Pofalla sei beendet. Ganz offensichtlich hat der „Führungs-Stil“, wichtige Debatten wie einen US-Spionage-Angriff auf Deutsche Bürger oder eine unverschämte Personalentscheidung im eigenen Konzern per Rede „für beendet“ zu erklären, bereits vor Pofalla Einzug gehalten. Das ist Real-Satire vom feinsten, da wird jeder Kabarettist neidisch und arbeitslos.

Um es auf ein ernstes Niveau zurück zu bringen, sofern das überhaupt geht: Der anstehende Personalwechsel ist vor allem eines – hoch unanständig! Mit Moral hat eine solche Entscheidung nichts zu tun, und es ist mir ein Rätsel, wie ein Politiker und künftiger Konzernlenker morgens zufrieden in den Spiegel schauen kann, ohne sich für sein Verhalten zu schämen.

Ich werde im Februar meine BahnCard nicht verlängern und versuchen, mit Alternativen zurechtzukommen. Vielleicht bilde ich häufiger Fahrgemeinschaften, vielleicht schraube ich meinen Mobilitäts-Anspruch auch herunter. Und vielleicht stelle ich irgendwann fest, dass ich wieder zurück muss auf die Schiene. Bis dahin allerdings übe ich mich in der Pofallaschen Diskussions-Kultur: „Hiermit erkläre ich meine Bahn-Mitgliedschaft und die Nutzung für beendet!“

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